Der BÖE-Bildungszyklus: Ausbildung mit Hirn und Herz

Ende der 1970er-Jahre wurden in Österreich nach dem Prinzip der deutschen „Kinderläden“ die ersten Elternverwalteten Kindergruppen in Wien gegründet. Nach einem halben Jahrzehnt und der Ausweitung der Kindergruppen in den Bundesländern wurde mit den praktischen Erfahrungen der damals ungefähr 80 Gruppen klar, dass eine qualitativ hochwertige Ausbildung den Grundstein für die pädagogisch wertvolle Arbeit der österreichischen KindergruppenbetreuerInnen darstellen muss. So wurde im Jahr 1992 der BÖE-Bildungszyklus (Abkürzung: BÖE-BZ) ins Leben gerufen, der sich in den mehr als 20 Jahren seines Bestehens beständig weiterentwickelt hat und auch heute aktuelle soziopolitische Entwicklungen sowie Erkenntnisse aus Pädagogik, Psychologie und Wissenschaft miteinbezieht.

Neben den Inhalten sind es die Dauer des Lehrgangs, die Gruppengröße und die Art der Wissensvermittlung, die für die hohe Qualität unserer Ausbildung ausschlaggebend sind. Die TeilnehmerInnen des BÖE-Bildungszyklus absolvieren über einen Zeitraum von eineinhalb Jahren 18 Seminare und setzen sich dabei mit den unterschiedlichsten Themen, auch im Rahmen eines verpflichtenden Praktikums, auseinander. Dieses muss im Ausmaß von mindestens zehn Wochenstunden über die gesamte Ausbildungszeit in einer Kinderbetreuungseinrichtung absolviert werden. Somit ist gewährleistet, dass Theorie und Praxis auch für all jene, die die Ausbildung nicht berufsbegleitend besuchen, gleichwertig nebeneinanderstehen.

Reflexion und Selbstreflexion
Einen Raum für Reflexion bieten die drei Reflexionstage, die jeweils im Vorfeld eines Seminars stattfinden und für alle TeilnehmerInnen verpflichtend sind. Des Weiteren wird die theoretische Auseinandersetzung mit den Seminarthemen immer in Bezug zur Praxis gesetzt und darüber diskutiert, wie die Dinge im jeweiligen beruflichen Umfeld gehandhabt werden und wie die TeilnehmerInnen selbst dazu stehen.
Der Zeitraum von 1,5 Jahren, die der BÖE-Bildungszyklus dauert, bietet in Kombination mit der beruflichen Praxis nicht nur die Möglichkeit der Reflexion des Gelernten, sondern ermöglicht auch die Selbstreflexion der TeilnehmerInnen. Die vom BÖE ausgebildeten KindergruppenbetreuerInnen vollziehen im Laufe der Ausbildung wichtige Entwicklungsschritte, von denen die ihnen anvertrauten Kinder enorm profitieren. Um Inhalte nachhaltig in die Praxis umzusetzen, sind Zeit und Reflexion unumgänglich.

Gruppengröße und Erfahrungswertschätzung
Bei den TeilnehmerInnen des BÖE-Bildungszyklus handelt es sich um erwachsene Menschen, die ihre eigenen Erfahrungen – beruflicher und privater Natur – mitbringen. Die kleine Gruppengröße von maximal 15 Personen ermöglicht unseren SeminarleiterInnen, auf den jeweiligen Wissens- und Entwicklungsstand der teilnehmenden Frauen und Männer einzugehen. Auch der Austausch untereinander und die aktive Teilnahme an den Diskussionen sind ein wichtiger Bestandteil der Ausbildung.

Die Inhalte des BÖE-Bildungszyklus
Die TeilnehmerInnen des BÖE-Bildungszyklus beschäftigen sich in den 1,5 Jahren der Ausbildung mit mehreren Themenblöcken, die von methodisch-didaktischen Grundlagen über Entwicklungspsychologie, Pflege, Bindung und Trennung sowie Team- und Elternarbeit bis hin zu Elementen reichen, die Anregungen für die Alltagsgestaltung in der Kindergruppe bieten. Das Herzstück des BÖE-BZ ist die Vermittlung des Anderen Umgangs, der sich durch eine respektvolle Begleitung der Kinder auszeichnet und sich in der eigenen Haltung, Kommunikation und dem gesamten Umgang im Team sowie mit den Eltern und Kindern widerspiegelt.
Die Reihenfolge, in der die einzelnen Module angeboten werden, ist sowohl in Bezug auf die Inhalte als auch auf die Entwicklung der TeilnehmerInnen wohl durchdacht. So geht es dem BÖE nicht nur darum, dass einzelne Seminare absolviert werden, sondern dass im Besonderen die TeilnehmerInnen in ihrem Entwicklungsprozess begleitet werden. So folgen zum Beispiel auf das Modul „Kommunikation und Konfliktmanagement“ die beiden Blöcke „Teamarbeit und Teamentwicklung“ sowie „Mit Eltern partnerschaftlich zusammenarbeiten“, sodass die Inhalte des ersten Moduls in den beiden anderen bereits angewendet werden können. Jeweils ein Seminar am Beginn als auch am Ende der Ausbildung tragen den Titel „Anderer Umgang“. In beiden geht es neben der theoretischen Vermittlung von verschiedenen pädagogischen Stilen auch um die Haltung gegenüber den Kindern, Teamkollegen/-kolleginnen und Eltern. Der Andere Umgang fließt jedoch auch in alle anderen Seminare ein.

Die Seminare „Musik und Tanz erzählen Geschichten“ und „Bücher in der Arbeit mit Kindern und Kreativität“ zeigen den Teilnehmenden neue Wege und Möglichkeiten der fantasievollen Auseinandersetzung mit vielerlei Themen auf.
Neben der aktiven Teilnahme an den Seminaren wird von den TeilnehmerInnen ein Literaturstudium verlangt, das in schriftlich verfassten Fachbuchbesprechungen seinen Ausdruck findet. Im Einführungsseminar empfehlen die ReferentInnen das Führen eines persönlichen Lerntagebuchs, in das auftauchende Fragen, Inhalte, die die einzelnen TeilnehmerInnen der Ausbildung besonders berühren, oder auch Ideen für die Abschlussarbeit, die während eines Seminars auftauchen können, notiert werden.

Die Abschlussarbeit selbst ist ein wesentlicher Bestandteil des BÖE-Bildungszyklus. Maria Menz hat dazu für die Herbstausgabe 2015 der frischen BÖE einen eigenen Beitrag verfasst.

AbsolventInnen des BÖE-BZ haben sehr gute Berufschancen. Die meisten Menschen, die unsere Ausbildung abgeschlossen haben, bleiben in diesem Berufsfeld, viele davon in Leitungspositionen (siehe Berichte von Absolventinnen auf Seite 20). In den Jahren seines Bestehens haben 611 Frauen und Männer den BÖE-BZ abgeschlossen. Der Großteil der AbsolventInnen kommt aus den Bundesländern Kärnten, Tirol, Salzburg, Wien und Niederösterreich.

Gesetzliche Anerkennung des BÖE-Bildungszyklus
Da in Österreich die Kinderbetreuung in der Kompetenz der Bundesländer liegt, existieren unterschiedliche Kinderbildungs- und Kinderbetreuungsgesetze. Der BÖE-BZ ist als pädagogische Fachausbildung in all jenen Bundesländern anerkannt, in denen es neben den „klassischen“ Kindergärten auch andere Formen der Kinderbetreuung (Kindergruppen, Kleinkindertagesstätten, Kinderkrippen, Schulkindgruppen, Spielgruppen) gibt. Dies sind die Bundesländer Kärnten, Wien, Tirol, Salzburg und Niederösterreich.

In den Bundesländern Burgenland, Steiermark und Oberösterreich gibt es per Gesetz nur die Form des Kindergartens, in dem lediglich ausgebildete Kindergartenpädagoginnen/-pädagogen tätig sein dürfen.
In allen Bundesländern können BÖE-AbsolventInnen in Kindergärten als AssistentInnen tätig sein, wobei große Unterschiede bezüglich der Ausbildungsvorgaben bestehen. Das Bundesland Vorarlberg hat neben Kindergärten und Kindergruppen auch sehr viele Spielgruppen. Der Landesverband der Kindergruppen bzw. das Land selbst bietet dazu eine eigene Ausbildung an.
Neben der gesetzlichen Anerkennung der Ausbildung ist es dem BÖE auch wichtig, die arbeitsrechtlichen Rahmenbedingungen der MitarbeiterInnen im Kinderbetreuungsbereich mitzugestalten. So ist im Mindestlohntarif für ArbeitnehmerInnen in privaten Betreuungseinrichtungen der BÖE-BZ als einzige Ausbildung österreichweit angeführt.

Grete Miklin und Julia Neider

Nähere Informationen:
BÖE – Bundesverband Österreichischer Elternverwalteter Kindergruppen
Grete Miklin
Web: www.kindergruppen.at
E-Mail: boe@aon.at
Tel: 01 409 66 04