Mit Leib und Seele. Das Berufsbild „KindergruppenbetreuerIn“.

Cecilia und Ines in der Sandkiste__kleinvon Grete Miklin, erschienen in der frischen böe Nr. 72, März 2010

KindergruppenbetreuerInnen gibt es schon so lange wie es Elternverwaltete Kindergruppen gibt, also seit mittlerweile über drei Jahrzehnten. Während sich im Deutschland der Siebzigerjahre Kinderläden als alternative Betreuungsform entwickelten, erfasste Österreich eine ähnliche Bewegung. Die ersten Kindergruppen entstanden vor allem in den größeren Städten. Mütter und Väter ergriffen selbst das pädagogische Wort und richteten auf  selbstverwalteter Basis kleine, familienähnliche Betreuungsorte ein, die den Kindern Freiheit und Selbstverantwortung zusprachen, was damals keine Selbstverständlichkeit darstellte.

Mit der zunehmenden Professionalisierung der selbstverwalteten Einrichtungen entstand vermehrt das Bedürfnis, all die Erfahrungen und Erkenntnisse der Pionierzeit als Ausbildungsinhalte zu definieren und mit neuesten pädagogischen (oder reformpädagogischen) Inhalten zu verknüpfen. Die Lehre Montessoris, der Wilds, Freinets und der Stadt Reggio fanden Eingang in das Herzstück der Kindergruppen, den „Anderen Umgang“. Der Start des ersten Bildungszyklus zu Beginn der neunziger Jahre war der Startschuss für die stetige Entwicklung und Ausweitung der Berufsform „KindergruppenbetreuerIn“.

Am besten lässt sich ein Einblick in die derzeitig Beschaffenheit der Landschaft der Kindergruppen Österreichs geben, indem wir die Zahlen aus unserer Datenauswertung aus dem Jahr 2008 heranziehen. Zu diesem Zeitpunkt waren im BÖE 193 Vereine mit 385 Kinder- und Spielgruppen Mitglied, in diesen Kinder- und Spielgruppen wurden über 5.500 Kinder von 832 KindergruppenbetreuerInnen betreut, davon waren 29, oder 3,5%, männlich. Regional gibt es hierbei aber sehr große Unterschiede: Während in Wien über 12% der BetreuerInnen männlich sind, finden man in den Bundesländern nur vereinzelt Männer als BetreuerInnen in Kindergruppen. BetreuerInnen in Elternverwalteten Kindergruppen arbeiten im Österreichdurchschnitt zu 24% ganztags, 49% sind halbtags angestellt und 27% arbeiten stundenweise.

Und noch ein paar Zahlen zur pädagogischen Ausbildung: 24% der BetreuerInnen haben die BÖE-Ausbildung abgeschlossen, 64 % eine andere pädagogische Ausbildung (größtenteils die Ausbildung zur/zum Kindergartenpädagogin/-pädagogen) und 12% haben keine Ausbildung bzw. sind gerade dabei, eine Ausbildung zu absolvieren.

Gesetzlich sind Kindergruppen je nach Bundesland in Kinderbetreuungsgesetzen bzw. in Tagesbetreuungsgesetzen geregelt. Die Gesetze bzw. Vorschriften legen zunehmend eine Mindestqualifikation der Betreuungspersonen fest. Der BÖE bzw. die Landesverbände konnten in den meisten Bundesländern (Ausnahme Oberösterreich) schon im Zuge der Gesetzeswerdung bzw. unmittelbar danach die Anerkennung der BÖE-Ausbildung erreichen.

KindergruppenbetreuerInnen sind arbeitsrechtlich gesehen Angestellte. In jahrelangen, nicht immer ganz leichten Verhandlungen haben die KindergruppenbetreuerInnen neben den KindergartenpädagogInnen und Tagesmüttern/-vätern ihren fixen Platz gefunden. In Elternverwalteten Kindergruppen wird entweder nach dem Mindestlohntarif für Angestellte in privaten Kinderbetreuungseinrichtungen (MiLoTa) oder nach dem BAGS-Kollektivvertag (Sozialwirtschaft Österreich) entlohnt. In Wien, wo die Elternverwalteten Kindergruppen eine eigene Betriebsvereinbarung haben, gibt es noch ein zusätzliches Gehaltsschema. Auch in Salzburg bezahlen einige Einrichtungen nach einem eigenen Landesschema.

Mittelfristig ist es ein Ziel des BÖE zu erreichen, dass alle Mitgliedergruppen ihre MitarbeiterInnen nach dem BAGS-Kollektivvertrag entlohnen. Der Kollektivvertrag regelt nicht nur das Gehaltsschema, sondern ist wesentlich umfangreicher als der Mindestlohntarif. So sind im KV z.B. die Vorbereitungszeit der Pädagoginnen und Pädagogen, die Konzeptionstage, die Supervision und der Durchrechnungszeitraum genau geregelt.

Damit wäre sowohl für ArbeitnehmerInnen als auch für die jeweiligen Arbeitgeber vieles schon im Vorfeld einer Anstellung geklärt und es bedürfte keiner oft mühsamen Verhandlungen.

KindergruppenbetreuerIn in einer Elternverwalteten Kindergruppe

Es gibt Kindergruppenstandards, die bei aller Unterschiedlichkeit der Elternverwalteten Kindergruppen für alle Mitgliedergruppen gelten:

• Der „Andere Umgang“ – partnerschaftlicher Umgang zwischen Kindern, Eltern und BetreuerInnen
• Kleine Gruppengröße – maximal 15 Kinder pro Gruppe; Betreuungsschlüssel
• Elternverwaltung/Elternmitarbeit
• Eltern wählen die jeweiligen BetreuerInnen aus
• BetreuerInnen haben das Recht auf Aus- und Weiterbildung

Anhand der Kindergruppenstandards lassen sich auch die Unterschiede von KindergruppenbetreuerInnen im Vergleich zu anderen Pädagoginnen und Pädagogen festmachen.

 

„Lebendig statt brav“

– so der Titel eines Artikels von Marianne Gronemeyer, der sehr gut die Grundsätze des Kindergruppenlebens beschreibt. Kinder sollen in der Kindergruppe die Möglichkeit haben, ihre potenziellen Fähigkeiten zu erkennen und zu erleben. Das kann nur im aktiven Tun, im Spielen und im Ausprobieren passieren, dafür brauchen Kinder möglichst viel Spiel-Raum, und zwar in zweierlei Hinsicht: Äußerlich im wirklichen Raum, den sie selbst gestalten, und im Zulassen inneren Spielraums. Im Zulassen von unterschiedlichen Arten zu leben, zu lernen, zu sein. Das verlangt von den BetreuerInnen ein aufmerksames Wahrnehmen der Bedürfnisse der Kinder. Dafür „müssen“ BetreuerInnen Voraussetzungen mitbringen: Etwa das Vertrauen darauf, dass Kinder von sich aus neugierig sind und auf ein aktives erforschendes Lernen und Leben Lust haben. Das bedeutet auch, dass der Alltag in der Kindergruppe als sich entwickelnder Prozess und nicht nur unter der Perspektive des passiven Strebens nach Fertig-Spiel-Produkten gesehen wird. Weiters sind das Bemühen, den Kindern keine widersprüchlichen Doppelbotschaften zu geben sowie keine falschen Drohungen oder Versprechungen zu machen – KindergruppenbetreuerInnen sollen möglichst authenisch sein – wichtig. Kinder schauen mehr ab als sie zuhören, sodass unsere Art des Lebens für sie zum Vorbild wird (so auch Dr. Christine Mechler-Schönach, Referentin für den „Anderen Umgang“).

Von Kindern lernen heißt vor allem, die großen Fähigkeiten der Kinder wahrzunehmen und sie als gleichwertige Partner zu sehen. Kinder sind mit Kompetenzen ausgestattet, die bei uns Erwachsenen oft fehlen bzw. verschüttet sind. Dazu gibt es verschiedene pädagogische Richtungen (z.B. Montessori-, Reggio-, Wild- , Freinetpädagogik), die all die Ziele des „Anderen Umgangs“ in sich tragen und in den Kindergruppen täglich gelebt werden.

Kleine Gruppengröße – maximal 15 Kinder pro Gruppe

Internationale Expertenempfehlungen zu Prozess- und Strukturqualität betonen überschaubare Größen von fünfzehn Kindern pro Gruppe (bei Ganztagsbetreuung), der optimale Personal-Kind-Schlüssel wird mit 1:4 für die Ein- bis Zweijährigen und mit 1:8 für die Drei- bis Sechsjährigen angegeben. Elternverwaltete/Selbstorganisierte Kindergruppen haben es geschafft, diese Limits auch in den Ländergesetzen (es gibt kleinere Abweichungen in den einzelnen Bundesländern) festzuschreiben. Einzig im Betreuungsschlüssel gibt es in Wien andere Vorgaben – von Gesetzes wegen könnte eine/ein BetreuerIn mit vierzehn Kindern alleine sein – in der Praxis (und laut Empfehlung des Dachverbandes) gibt es jedoch Doppelbetreuung.

Elternverwaltung/Elternmitarbeit/Auswahl der BetreuerInnen

Elternverwaltete Kindergruppen entstehen meist auf Initiative von Eltern. Somit haben Eltern eine ganz andere Position in der Kindergruppe als in anderen Betreuungseinrichtungen.
Eltern gestalten die Rahmenbedingungen selber bzw. sind dafür mitverantwortlich. Im Idealfall erarbeiten die Eltern gemeinsam mit den BetreuerInnen das pädagogische Konzept und entwickeln es im Laufe der Zeit weiter. Eltern wählen die Betreuungspersonen für ihre Kinder aus – bei bestehenden Gruppen in Absprache mit den anderen BetreuerInnen. Dadurch stellen Kindergruppen hohe Anforderungen an die BetreuerInnen. Die pädagogisch und organisatorisch notwendige enge Zusammenarbeit setzt ein gemeinsames „Wollen“, eine Entscheidung aller füreinander, voraus.

Ausbildung zur KindergruppenbetreuerIn

Diese Voraussetzungen verlangen auch ein spezielles Ausbildungs- bzw. Weiterbildungskonzept für KindergruppenbetreuerInnen. Das Bildungskonzept geht inhaltlich und organisatorisch vom Selbstverständnis der Kindergruppen aus. Der Hintergrund aller Bildungsaktivitäten soll das gleichberechtigte Verhältnis aller Beteiligten einer Kindergruppe sein. Bildung wird vor diesem Hintergrund als Chance zur Selbsterfahrung, als Bewusstseinsbildung verstanden, die für niemanden, der mit Kindern zu tun hat, je  abgeschlossen sein kann. Dafür sind zum einen der Erwerb von praktischen und theoretischen Grundlagen in der Arbeit mit Kindern, zum anderen die Reflexion der Praxis, der Erfahrungsaustausch und die Selbsterfahrung notwendig.

BetreuerInnen, die bereits eine Ausbildung abgeschlossen mitbringen, haben die Möglichkeit einzelne Seminare als Fortbildung zu besuchen und so den pädagogischen Hintergrund von Kindergruppen zu erfahren.

Viele Ziele der Kindergruppen sind vermehrt auch in anderen Bildungskonzepten der Elementarpädagogik wiederzufinden (z.B. Elternmitarbeit, Geschlechtssensible Pädagogik).

Schließen möchte ich mit einem Zitat aus dem Bundesländerübergreifenden Bildungsrahmenplan des Charlotte Bühler Instituts aus dem Jahr 2009: „[…] Pädagoginnen und Pädagogen treten in einem Klima der Wertschätzung und des Vertrauens mit Kindern in Beziehung und achten deren Bedürfnisse und Interessen. Sie begleiten und moderieren die kindlichen Strategien […].“

Grete Miklin ist Geschäftsführerin des BÖE.